Der Stuttgarter Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster scheidet zum Jahresende 2012 aus seinem Amt aus. Aus diesem Anlass bringt die "Stuttgarter Zeitung" eine Serie Reminiszenzen an die Amtszeit Dr. Schusters. Am 29. Dezember brachte die Zeitung einen Artikel über das Engagement Dr Schusters im Ausland, u.a. auch im Rahmen der Städtepartnerschaften. U.a. wurde auch unser Verband erwähnt.
Den Text des Artikels lesen Sie hier und auch im Internet unter "Stuttgarter Zeitung"
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Stuttgart - Dakar, Paris, Straßburg: das sind kurz vor Weihnachten die letzten drei Stationen von Wolfgang Schusters Weltreise gewesen, die er in den vergangenen 16 Jahren unternommen hat. Viele Bürger in Stuttgart rätseln heftig, warum ihr OB so häufig ins Ausland gefahren ist; manche haben diese Reisen sogar als Flucht vor der Kritik, vor dem heftigen Gegenwind in Stuttgart gedeutet. Missdeutet, muss man wohl sagen. Wenn etwas gewiss ist, dann dies: Die internationalen Beziehungen sind immer Schusters große, wenn auch etwas verborgene Leidenschaft gewesen.
„Er hatte den unbedingten Willen, etwas zu bewegen“, sagt zum Beispiel Elisabeth Gateau, die frühere Generalsekretärin des kommunalen Weltverbandes „United Cities“, bei dem Schuster noch bis 2013 den Vorsitz der europäischen Sektion hat: „Er ist eine Ausnahmeerscheinung.“ So redet man in Paris über Wolfgang Schuster.
Wenn man nach den Gründen für dieses ungewöhnlich intensive Engagement sucht, muss man zunächst in Schusters Biografie blicken. Im Jahr 1968 diente der 19-Jährige bei den Gebirgsjägern in Mittenwald – er habe damals, sagen Leute, die ihn gut kennen, große Angst gehabt, dass der Westen während des Prager Frühlings eingreife und er als Soldat nach Osten marschieren müsse. Später habe er in den 1980er Jahren als Oberbürgermeister in Schwäbisch Gmünd die Auseinandersetzungen um die Stationierung der Pershing-Raketen im benachbarten Mutlangen aus der Nähe miterlebt. „Der Ost-West-Konflikt hat ihn geprägt“, sagt ein Weggefährte.
Der Ost-West-Konflikt hat Schuster geprägt
Daneben darf man schlicht nicht übersehen, dass der junge Schuster in Genf und später in Paris an der Ecole Nationale d’Administration studiert und früh internationales Flair erlebt hat. Und es ist wahrscheinlich, dass beim gläubigen Katholik Schuster sogar die katholische Soziallehre eine Rolle spielt, bei der sich die Politik in den Dienst der sozialen Gerechtigkeit stellen soll. Chancengleichheit für alle, darin liegt sein Credo – weil Aggression und Radikalismus auch aus fehlender Perspektive erwachsen, in Stuttgart und der Welt.Aber um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wolfgang Schuster war nie ein barmherziger Samariter, der durch die Welt zieht und milde Gaben verteilt. Schuster hatte immer auch städtische Eigeninteressen für sein internationales Engagement. So will er, dass bei der EU in Brüssel die Sicht der Kommunen nicht untergebuttert wird; und er will schlicht an die fetten Fördertöpfe Europas kommen.
Außerdem nutzt Schuster jede Reise, um sich kundig zu machen, wie in anderen Städten für den Klimaschutz gekämpft wird, wie dort der Nahverkehr aufgebaut oder wie dort die Müllabfuhr organisiert wird. Seine Auslandsreisen sind in manchen Abteilungen der Stadt deshalb schon regelrecht gefürchtet: „Jedes Mal bringt er Ideen mit, die dann ausprobiert und umgesetzt werden müssen“, sagt ein Insider. Aus dem gleichen Grund wird das Programm einer Reise immer kräftig vollgestopft – kaum eine freie Stunde gönnt der OB seinen Delegationen. „Schuster ist getrieben von Inhalten“, sagt Frédéric Stephan von der Stabsstelle für Außenbeziehungen: „Diese Reisen sind nicht vergnügungssteuerpflichtig – anschließend braucht man ehrlich zwei Tage Erholung.“
In drei Feldern der kommunalen Außenpolitik hat sich Wolfgang Schuster in den vergangenen 16 Jahren engagiert. Er hat die Städtepartnerschaften Stuttgarts auf eine neue Grundlage gestellt. Er hat sich für das Zusammenwachsen Europas eingesetzt. Und er hat die Kooperation mit Ländern der Dritten Welt forciert.
Städtepartnerschaften auf neue Grundlage gestellt
Zunächst zu den Städtepartnerschaften: Schuster hat sich mit der eigens dafür eingerichteten Stabsstelle bemüht, eine neue Strategie zu entwickeln. Zum einen will das Rathaus nicht mehr Mittelpunkt aller Aktivitäten sein, sondern nur noch Ermöglicher: Schulen, Theater und Unternehmen sollen angeregt werden, Kontakte zu ihren Pendants in anderen Städten zu knüpfen. Zum Beispiel unterhält das Renitenztheater enge Kontakte zum Théâtre de la Choucrouterie in Straßburg und zum Samarskaya Ploschtschad im russischen Samara.
Zum anderen geht es nicht mehr allein um Schüleraustausch, sondern um die Zusammenarbeit bei konkreten sozialen oder wirtschaftlichen Projekten. In Menzel-Bourguiba (Tunesien) half Stuttgart mit, eine Mülldeponie so zu sanieren, dass sie keine Gefahr mehr für die Umwelt war. Und schon viele Jahre gibt es Kooperationen von Krankenhäusern in Stuttgart sowie in Mumbai (Indien) und Kairo.
Diese Strategie muss man als erfolgreich bezeichnen – jedenfalls war niemand zu finden, der ernsthaft Kritik äußerte. Nur Roswitha Blind, die Chefin der SPD-Fraktion im Gemeinderat, sagte, sie hätte sich gewünscht, „dass diese Internationalität noch mehr Früchte im Rathaus“ getragen hätte. Aber selbst Gangolf Stocker, der frühere Kopf des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, sagt knurrig: „Es gibt Dinge, die kann ich Schuster nie verzeihen. Aber kein Mensch macht alles schlecht im Leben.“ Die Akteure der Städtepartnerschaften in aller Welt sind umgekehrt voll des Lobes. Susanne Evens, die Vorsitzende des amerikanischen Vereins „St.Louis-Stuttgart Sister Cities“, schrieb aus den USA: Keine andere Stadt arbeite so eng mit St. Louis zusammen – und das sei Schusters Verdienst.
Hanna Zakhari vom Deutschen Kulturverband in Brünn (Tschechien) betont vor allem die menschliche Seite Schusters und erinnert an ein bewegendes Erlebnis. Im Garten des Klosters in Alt-Brünn gebe es ein Denkmal für die Menschen des Brünner Todesmarsches am 31. Mai 1945 – viele deutschstämmige Frauen und Kinder seien damals ums Leben gekommen. Schuster habe unbedingt verweilen wollen, um mit älteren Deutschen zu sprechen, erzählt Zakhari: „Der bewegte Moment ist schwierig zu schildern, aber der OB verhielt sich sehr einfühlsam, und das Gespräch tat den alten Menschen sichtbar gut.“
In vielen Gremien zuhause
Schwieriger zu beurteilen sind Wolfgang Schusters Aktivitäten in den verschiedenen Europa- und Weltgremien. So ist er Präsident des internationalen Rats der Gemeinden und Regionen in Brüssel, wo er für die Bedeutung der Kommunen in der EU kämpft. Gerhard Stahl, der Generalsekretär des Ausschusses der Regionen bei der EU, hebt aber das strategische Denken Schusters hervor: „Er hat verstanden, dass man Themen in Bildung und Wirtschaft europaweit angehen muss, damit sie erfolgreich sind.“
Als Vorsitzender der europäischen Sektion des kommunalen Weltverbandes war Schuster zuletzt einige Tage bei der jährlichen Sitzung in Dakar im Senegal. In Beiräten in Paris und Nairobi ist er Mitglied, Schuster leitet auch einige internationale Netzwerke zu den Themen Mobilität, Kinder, Sport und Integration. Weiter hat er 2005 die Stuttgarter Partnerschaft Eine Welt gegründet: 170 Akteure wollen darin in der Entwicklungsarbeit an einem Strang ziehen.
In solchen komplexen und weltweiten Strukturen sind direkte Erfolge kaum messbar, weil an allen Entscheidungen unendlich viele Ebenen beteiligt sind. Aber Elisabeth Gateau zieht dennoch das Fazit: „Was Schuster geleistet hat, ist unbezahlbar.“
Wen wundert es also, dass der OB seinem Faible für die Außenpolitik künftig eher noch stärker nachgehen will? Mehrere Pläne spuken ihm durch den Kopf. Gerne würde er ein EU-Projekt gegen Jugendarbeitslosigkeit leiten, aber die Brüsseler Kommission kommt nicht zu Potte. Und die Kanzlerin will Schuster nach Griechenland schicken, wo es bisher kaum eine kommunale Selbstverwaltung gibt. Für seine Arbeit bräuchte Schuster aber ein Büro in Stuttgart, das irgendwie finanziert werden muss – daran kranken alle Projekte noch. Alexander Kreher, der Leiter der Stabsstelle, sagt über den Chef: „Es hat Schuster schon immer rausgezogen in die Welt.“ Daran dürfte sich auch künftig nichts ändern.