Der „Studenten-Mai“ in Brünn
Seit einigen Jahren veranstalten Studenten der Brünner Germanistik im Mai einen „Monat der gemeinsamen Vergangenheit und der gemeinsamen Zukunft“ . Gemeint ist die Vergangenheit in Brünn, die durch das friedliche nebeneinander deutscher, jüdischer und tschechischer Kulturen gekennzeichnet war und 1945 endete.
Vielerlei Aktivitäten planen die Studenten in diesen Monat alljährlich ein. Bereits einige der Veranstaltungen wurden zusammen mit dem Deutschen Kulturverband geplant und durchgeführt.
Dieses Jahr war es zum einen ein Zeitzeugengespräch, zu welchem die Organisatoren im Mai in die studentische Mensa „Krmítko“ (Fressnäpfchen) an der Soziologischen Fakultät in Brünn einluden, zum anderen eine außerordentlich interessante Podiumsdiskussion im Brünner Begegnungszentrum.
Ein wenig zögerlich fanden sich die Frauen der Erlebnisgeneration der heutigen Brünner „deutschen Minderheit“ im kleinen Nebenraum des „Krmítko“ ein. Es ist nicht einfach, seine eigenen persönlichen und teilweise unguten Erlebnisse mit Fremden zu teilen. Etwa ein Dutzend ganz junger Menschen erwartete sie, allen voran ein junges Paar, ein Mädchen und ein junger Mann, beide Studierende der Germanistik, die ein wenig hilflos und trotzdem neugierig die Diskussion steuerten . Nach und nach erzählten die Frauen ausführlich über ihre Erlebnisse.
Eine der an der Gesprächsrunde teilnehmenden Zuhörerinnen fragt, ob es denn zwischen den Betroffenen Ressentiments gegenüber den Tschechen gäbe. Sie selbst habe mehrere Jahre in Deutschland gelebt und habe dort unter den Vertriebenen vieles an Ressentiments erleben müssen. Teilweise wollten die von der Vertreibung Betroffenen nicht einmal mit ihr reden, obwohl sie schon von ihrem Jahrgang her für die Geschehnisse nicht verantwortlich gemacht werden könne, so stark war die Abneigung. Nein, erklären alle Zeitzeugen übereinstimmend. Es gäbe immer und überall gute und bösartige Menschen, dies sei nicht eine Frage der Nationalität. Wir leben hier zusammen wie es seit Jahrhunderten war und haben und fühlen keinerlei Ressentiments.
Passend zum Thema: An der Wand des Raumes hat Dr. Ludmila Tučková, Mitglied des Vorstands unseres Verbandes eine kleine Ausstellung angebracht. Unter der Überschrift „ Die Brünner Ringstraße“ wird den Besuchern der Einfluss namhafter Wiener Architekten auf das Stadtbild von Brünn vor Augen geführt..
Zwei Tage später findet eine Podiumsdiskussion im Brünner Begegnungszentrum statt. Als Gäste werden willkommen geheißen: Der österreichische Historiker Niklas Perzi, der in Prag gebürtige und seit 1968 in Österreich lebende Menschenrechtler Přemysl Janýr und der Initiator und Hauptorganisator der „studentischen Mai-Aktivitäten“ und Absolvent der Brünner Germanistik, Jaroslav Ostrčilík. Willkommen geheissen werden auch Studierende der Universität und Gäste aus der Brünner Öffentlichkeit.
Das Thema der Diskussion lautet: Der Umgang mit Altlasten der Vergangenheit, wobei unter „Altlasten“ politische Altlasten gemeint sind, in Tschechien gerne mit dem Wort „Skelette“ (kostlivci) bezeichnet.
Wir danken den Organisatoren des Erinnerungsmonats, den Studierenden und Projektverantwortlichen, allen unseren Gästen und Teilnehmern sehr herzlich für Ihr Engagement bei dieser wichtigen Brünner Veranstaltungsreihe !
Der Vorstand des Deutschen Kulturverbandes
Region Brünn